12.11.2009

Meine Frage zur Trauer

Vor zwei Tagen hat sich der Torwart von Hannover 96 vor einen Zug geschmissen. Das weiß sicherlich mittlerweile jeder. Das ist eine furchtbare Sache und alles andere als schön! Man darf mich jetzt nicht falsch verstehen, denn ich begebe mich auf dünnes Eis, versuche aber mal zum Nachdenken anzuregen.

Ich hörte es gestern im Radio, als ich auf dem Weg zur Arbeit war. Der und der hat sich vor den Zug geschmissen. "Wer?!", war mein erster Gedanke. Hier werden jetzt schon die Ersten aufschreien. Der Nationaltorwart, wie ich es direkt danach erfuhr. Ich finde Fußball jetzt alles andere als wichtig und bin der Meinung, dass es der Welt ohne manchmal sogar besser geht. Mehr Luft im Kopf als im Ball, ihr wisst schon.

Jetzt stellt sich mir nur eine Frage. Warum weint eine halbe Nation, wenn sich ein Prominenter vor den Zug wirft? Wenn ich die ganzen Pendler der Bahn immer höre, dann heißt es nur "da hat sich wieder so ein Penner vor den Zug geschmissen". Merkt jemand was? Ich hoffe es! Ich merke hier ledlich, dass ein prominentes Leben manchmal doch ein wenig wichtiger zu sei scheint, als ein anderes. Millionen von Menschen leiden unter Depressionen, aber das juckt keine Sau. Man muss erst ein paar Bälle fangen, bis man genug Aufmerksamkeit erlangt.

Schlimm, wenn ein Mensch so etwas als letzten Ausweg sieht. Das ist traurig! Und mir tut Herr Enke und die Familie auch Leid. Aber man sollte auch weiter denken!

Ganz schlimm fand ich es, dass ich im StudiVZ von einem "David Ballspielverein" noch kurz vorher den Spruch "Tot und Hass dem S04". Später schrieb er, dass er sein Beileid an die Familie richtet. Was wäre denn, wenn Herr Enke nun beim S04 gespielt hätte? Wie dumm manche Menschen sind!

13 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Nun, vielleicht ist der Unterschied, dass "der Penner" eine unbekannte Person ist. Und Menschen, über die wir nichts wissen, berühren uns eben weniger. Das gilt nicht nur für Selbstmörder, sondern auch für, sagen wir, Flüchtlinge oder Obdachlose zum Beispiel. Nach einer guten Dokumentation über etwa den Obdachlosen XY im Fernsehen, wird man selbst auch anders reagieren, wenn man von seinem Tod erfährt. Und über den Torhüter der Nationalmannschaft, der zudem noch ein sehr netter Kerl gewesen zu sein schien, denken eben viele, dass sie ihn gekannt haben. Identifikationsfigur und so.

Die Leute sind doch nicht so blöd, dass sie nicht zwischen dem Verein (Tod und Hass dem) und Personen unterscheiden können. Fußball lebt doch von diesem Rivalitätsgebaren. Ein Verein, und die mögliche Einstellung zu ihm, ist etwas völlig anderes als eine Person. "Hass" auf den Verein und Mitgefühl für einen Spieler schließen sich doch nicht aus.

Ende der Küchenpsychologie. Mögen belesenere Geister etwas beitragen.

Anonym hat gesagt…

"Man muss erst ein paar Bälle fangen, bis man genug Aufmerksamkeit erlangt."
Das Abwerten von Tätigkeiten anderer ist übrigens a. schlechter Stil und b. hier völlig unnötig und c. hier auch noch inhaltlich falsch. Ist ja immerhin DER Leistungssport in Deutschland und der Mann hat mehr gemacht, als "ein paar Bälle" zu fangen. Du machst sicher auch mehr, als dich im Schlafanzug auf einer Matte herumzukugeln, oder? Was meinste, was über deine sportlichen Aktivitäten noch despektierliches zu sagen wäre?
Zum Thema Aufmerksamkeit: Wusstest du vor dem Selbstmord mehr oder weniger über Depressionen? Ich weniger.

Sacantus hat gesagt…

Zum Anonym Nr.2:

Ich wusste weit mehr über Depression, da es in meiner Familie einen ähnlichen Fall gab. Zum glück ohne Selbstmord!

Ich glaube, nein ich wusste es. Dieser Satz mit dem Bälle fangen bekommt viel zu viel Gewicht und lenkt vom eigentlichen Thema ab. Zumal sollte es nicht abwertend sein!

Bei meinem homoerotischen Sport mache ich manchaml nciht mehr als mich schweißgebadet im Dreck zu wühlen und auf schmerzen zu warten. sicher, man kann alles durch den Kakao ziehen. Auf der Arbeit tippe ich auch nur ein wenig auf die Tasten.

Sacantus hat gesagt…

zu Anonym Nr.1:

Sicher, man sollte den Bekanntheitsgrad der Person nicht außer acht lassen. Die angehörigen der unbekannten Person werden sicher ebenfalls nicht erfreut sein. Das ist klar. Ich möchte trotzdem auf den Wirbel aufmerksam machen, der damit ausgelöst wurde. Es ist das alte Thema. Tausende Menschen sterben am Tag und es juckt kaum eine sau.

Es gibt sicherlich genug Leute, die blöd genug sind und das nicht unterscheiden können. Denke nur an die viele Gewalt beim Fußball. Alleine schon der "Hass" auf einen Verein ist schlimm genug. Hass ist zum Kotzen!

Anonym hat gesagt…

"Tausende Menschen sterben am Tag und es juckt kaum eine sau."

Juckt es dich?

Sacantus hat gesagt…

Es juckt mich insofern nicht, dass ich aktiv dagegen etwas tue. Es beschäftigt mich. Sonst hätte ich nicht schon mehrfach solche der ähnliche Beiträge gepostet.

TobU hat gesagt…

Mir kam es schon so vor, als ob ich der einzige wäre, der ihn nicht auf Anhieb kannte...
Und von wegen Prominenten und Tod: Ich erinnere da mal an den letzten Fall, Michael Jackson, dessen Tod ja auch den einen oder anderen sehr getroffen hat...
Es läuft eigentlich jedes Mal gleich ab...

tricky_r hat gesagt…

Ich denke, dieser Selbstmord ist so medial präsent, weil man als nicht involvierter "Otto-Normal-Verbraucher" i.d.R. meint, ein nach aussen hin erfolgreicher Mensch (immerhin ganz oben in der für das Land wichtigsten Sportart) ist von so etwas ausgenommen.

Das ist ja offensichtlich falsch. In so fern finde Ich die mediale Präsenz aus folgenden Gründen nicht unangebracht.

Besonders bedrückend ist in diesem Fall, wie an verschiedenen Stellen auch mehrfach am nächsten Tag in den Medien genannt, dass sich so ein Vorbild, Leistungs- und Hoffnungsträger nicht öffentlich zu seinen Problemen bekennen konnte und einen so drastischen Ausweg gewählt hat.

Das hat ja in erster Linie nichts mit dem Fakt zu tun, dass Enke Fussballer war, sondern ist eher ein allgemein-gesellschaftliches Problem. zumal das am Ende wesentlich mehr Menschen berührt, als man so denkt.

Wenn weiterhin so offensichtlich nötige Diskurse nicht geführt werden, wird es nicht lange dauern, bis der nächste Robert Enke in den Medien auftaucht. Oder in der Nachbarschaft oder zu Hause.

Deswegen finde ich das Einrücken solcher Dinge in das Bewusstsein der Menschen zur Steigerung gesellschaftlicher Offenheit für solche Art von Problemen als durchaus angemessen.

Sacantus hat gesagt…

Ich gebe euch ja durchaus Recht. Jetzt sollte man aber vielleicht mal darüber nachdenken, warum erst durch einen solchen Fall auf das Thema Depression aufmerksam gemacht werden muss. Das ist schlimm! Aberdas passiert leider viel zu häufig.

Ich möchte hier nur kurz klarstellen, dass ich nichts dagegen habe, dass dieses Thema durch die Medien läuft. Die Frage scheint ja mehr zu sein, warum dies erst jetzt passiert!

Anonym hat gesagt…

Vielleicht, weil es viele Themen gibt, die Aufmerksamkeit verdienen? Und nicht alle stets so präsent sind? Weil diese Themen und ihre Vertreter darum kämpfen, Aufmerksamkeit zu generieren? Weil es Anlässe braucht, um Aufmerksamkeit zu erreichen? AIDS, verhungernde Kinder, tote Kinder in Blumentöpfen, jahrzehntelange Vergewaltigungen und Inzest, Polkappen, Kriege, Attentate, Amokläufer, PISA, Korruption, Datenschutz, das Ozonloch, gewalttätige Jugendliche, Rechtsextremismus, Homosexualität im Fußball etc.
Die Aufmerksamkeitsspanne der Öffentlichkeit, und deine wohl auch, ist nun mal gering. Und das nächste Thema steht schon vor der Tür. So funktionieren Medien.

"Das ist schlimm! Aberdas passiert leider viel zu häufig."

Verbesserungsvorschläge?

Ravmirowitsch hat gesagt…

hackhack! martin wollte doch nur darauf hinaus, dass wir menschen alle gleich sind. und als solcherlei gleiche die wir sind, steht uns auch jedem in gleichem maße ein öffentliches bedauern unseres jeweils individuellen selbstmordes zu. historiker mögen dies als gedanklichen ururenkel des code napoleon einordnen. robert enke nun jetzt hervorzuheben ist in verstoß gegen die "egalité", für die so mancher franzose ins revolutionsgras gebissen hat und wirft uns zurück in die aristokratische ära. kurz: entweder trauer für alle, oder für keinen, meine herren konterrevolutionäre. launige sentimentalitäten sind hier nicht am platz, wo es um die großen ideen geht. letzter macht bitte licht aus.

Anonym hat gesagt…

Der Tag an dem Robert Enke starb... "Und merkste was?" "Nee, und du?"

Sacantus hat gesagt…

Im Grunde haben aalle Recht. Der Herr Ravmirowitsch vielleicht noch am meisten. Nein, ich biete keine Verbesserungsvorschläge. Ich biete auch keine Pauschallösung diverse Probleme, welche in den Medien sind oder erst noch in die Medien kommen, obwohl sie lange präsent sind.

Wüsste ich ein Mittel, wie man gegen solche Dinge vorgehen kann, dann würde ich wohl nicht hier sitzen und geistigen Abfall ins Netz blasen. Das einzige, was ich machen kann ist auf Dinge aufmerksam zu machen. Und sind sie noch so banal. Und das schient ja zu funktionieren.